Glänzende Mahnmale des Erinnerns
Stolpersteine im Stadtgebiet machen auf Opfer nationalsozialistischer Machtherrschaft aufmerksam
86 Jahre ist es her, dass in Deutschland in der Nacht zum 10. November 1938 Menschen um ihr Leben fürchteten, Synagogen brannten und Fensterscheiben zerbarsten. Ein Mob zog durch die Straßen – auch in Hennigsdorf. Millionen Juden in Deutschland mussten flüchten oder wurden in den Folgejahren ermordet. Auch heute sind Antisemitismus und Rassismus wieder an der Tagesordnung. Dagegen ruft das Aktionsbündnis Lebendiger Teilhabe H.A.L.T., das 2009 für Integration und gegen Rassismus gegründet wurde, gemeinsam mit der Gemeinwesenbeauftragten Kerstin Gröbe auf. In den Tagen rund um den Novemberpogrom von 1938 gibt es Aktionen zahlreicher Gruppen und Initiativen, Schüler und Parteien, die sich stark machen für eine Welt der Gleichberechtigung aller Religionen und Hautfarben in der Stadt.
Sie versammeln sich an insgesamt zehn Stolpersteinen, die der Künstler Gunter Demnig in Hennigsdorf auf Initiative des Heimatforschers Dr. Helmut Fritsch und weiterer Aktiver verlegt hat. Zum Beispiel im Gehweg vor dem Haus in der Waldstraße 40, in dem der Hausbesitzer Hans Brockmann den Schuhhändler Ludwig Goldmann gegen die SS-Schergen öffentlich verteidigte. Doch er konnte ihn nicht retten. Goldmann starb nach der Deportation nach Minsk. Am 8. November 2024 möchte die katholische Kirchengemeinde zum Erinnern an diesem historischen Ort um 17.45 Uhr aufrufen.
In der Berliner Straße 18 liegen die Steine für Klara und Wilhelm Busse, die als Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas verfolgt wurden. Klara Busse starb im Konzentrationslager Ravensbrück, ihr Ehemann überlebte den Todesmarsch in Richtung Schwerin – vom KZ Sachsenhausen aus. Später lebte er mit Tochter Gerda wieder in Hennigsdorf – 27 Mädchen und Jungen der Gruppe Sozialarbeit an der Oberschule Adolph Diesterweg halten das Andenken in Ehren. Am 8. November um 12 Uhr werden die Siebt- und Achtklässler Kerzen entzünden und aus dem Leben der Familie erzählen.
Familie Blaschke – Vater Ernst war Direktor in den AEG-Fabriken – konnte über Spanien nach Australien emigrieren. Das Wohnhaus steht nicht mehr, doch an der heutigen Neuendorfstraße 23 erinnern golden glänzende Steine an das Schicksal der vier Menschen. Linke, Seniorenbeirat und Ausländerbeirat laden am 11. November um 18 Uhr zum gemeinsamen Gedenken ein.
Für die Stolpersteine der Familie Lachmann in der Hauptstraße 13 sorgen die Konfirmanden der evangelischen Kirchengemeinde. Acht Familienangehörige starben nach der Deportation in Vernichtungslagern der Nationalsozialisten – das Uhrengeschäft in der Feldstraße wurde in der Pogromnacht vor 86 Jahren geplündert und zerstört. Nur Enkel Peter Lachmann überlebte, nachdem sich der Sohn von Else Sara Bela Lachmann, die in Auschwitz ermordet wurde, in Berlin-Reinickendorf verstecken konnte. Am 8. November um 17 Uhr sind die Konfirmanden ins evangelische Gemeindehaus eingeladen. Dort sehen sie ein Video zum Thema und gehen anschließend gemeinsam zu den Stolpersteinen, um Grablichter zu entzünden und aus der Biografie der Lachmanns zu lesen.
Für Clara Schabbel, die dem Widerstand der Schulze-Boysen/Harnack-Organisation angehörte, liegt in der heutigen Clara-Schabbel-Straße 11 ein Stein. Die Hennigsdorfer Wohnungsbaugesellschaft mbH und die evangelisch-freikirchliche Gemeinde Heimatgeber sorgen sich darum. Zum stillen Erinnern wird am 8. November um 17.30 Uhr eingeladen.
Für Kerstin Gröbe gehören angesichts aktueller Entwicklungen in politischen Brennpunkten auf der ganzen Welt Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz in den Mülleimer der Geschichte. „Mehr denn je möchten wir an das historische Fehlverhalten und die Greueltaten erinnern, die Menschen aus unserer Mitte mit dem Leben bezahlen mussten. So etwas darf nie wieder geschehen in unserer Stadt“, betont die Gemeinwesenbeauftragte und ruft zum gemeinsamen Erinnern auf.