Grenzturm öffnet seine Pforte
Von den wenigen noch existierenden Zeitzeugen der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg steht einer in Nieder Neuendorf
Idyllisch ist es heute am Nieder Neuendorfer See, der einst die Staatsgrenze der DDR markierte. Nieder Neuendorf als Enklave, abgeschnitten und von Soldaten des Grenzregimentes 38 „Clara Zetkin“ bevölkert, ist längst ein gut erschlossener Stadtteil Hennigsdorfs. An der Havel, direkt am Fernradweg, steht einer der letzten Zeitzeugen, der noch von der Teilung Deutschlands und der Berliner Mauer erzählt. Am Donnerstag, 6. April 2023, beginnt die diesjährige Saison, die bis zum Dienstag, 3. Oktober, dauert. Dann lässt sich der Grenzturm – der letzte von 18 in diesem Bereich – besichtigen.
Der Grenzturm in Nieder Neuendorf wird seit 1997 als Ausstellungsort erhalten und gepflegt. 2014 wurde die Ausstellung intensiv überarbeitet. Alle anderen Grenzanlagen sind längst abgebaut. Eine hohe Betonwand hatte nicht nur den Blick zum See verstellt, sondern bedeutete auch eine ständige Gefahr. 32 Führungsstellen gab es rund um Westberlin, eine davon in Hennigsdorf. 302 Wachtürme standen an der Berliner Mauer.
Die Grenztruppen der DDR patroullierten entlang der Havel, so manche kuriose Geschichte von Fluchtversuchen ist heute übermittelt und wird im Rahmen der Ausstellung erzählt. Zahlreiche Menschen jedoch ließen ebenso ihr Leben für den Versuch, in Freiheit leben zu können. Zwei Gedenkstelen am Radfernweg – eine für den gerade 20-jährigen Peter Kreitlow und eine für den damals 24-jährigen Franziszek Piesik – erinnern an die Tragödien der Geschichte und diese Opfer. Heute besuchen Touristen aus aller Welt diesen historischen Ort.
Exponate, Schautafeln und Audio-Guides mit Erläuterungen führen in die Geschichte Berlins und die der Grenzkompanie „Clara Zetkin“ ein. Die Exponate wurden teils gesichert, zusammengetragen und Inhalte zum Jahrestag des Mauerbaus vor zwei Jahren neu bedacht. Über vier Etagen verteilt sich die Exposition.
Zuletzt erschien ein Beitrag in der Publikation „Ost-West Europäische Perspektiven“, 23. Jahrgang 2022, Heft 4, ein Bericht über diesen Nieder Neuendorfer Grenzturm. Ein japanisches Filmteam drehte vor Ort. Vor allem junge Menschen schauen hier direkt in ein realistisch zu erlebendes Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Im Durchschnitt besuchen 10.000 Gäste den Grenzturm. Im Vorjahr waren es ebenso viele. Die Erinnerungs- und Informationsstätte bietet eine zweisprachige Ausstellung. Historische Filmaufnahmen vermitteln zudem einen lebendigen Eindruck des Alltags entlang der Berliner Mauer.
Bis zum 3. Oktober ist der Grenzturm Nieder Neuendorf von Dienstag bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen des Landes Brandenburg von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Führungen sind nach Voranmeldung beim Stadtarchiv Hennigsdorf unter 03302 877311 möglich.