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Historisches Gymnasium wird zum modernen Arbeitsort

Datum: 30.08.2022

Frühere Puschkin-Schule in Hennigsdorf stellt sich am Tag des offenen Denkmals mit Führungen dem Publikum vor

Es klopft, hämmert, bohrt. Aus allen Ecken und Enden dringen Geräusche. Woher die kommen, das lässt sich in dem früheren Schulhaus, das über eine blaue Holzeingangstür und spiegelgleiche Gebäudeteile betreten wird, schwer ausmachen. Kathrin Kiene, Marketing-Mitarbeiterin in der Kommunalen Betreiber- und Immobiliengesellschaft mbH (KBI) weist auf den gläsernen Fahrstuhl. Der ist neu, wie vieles andere in dem denkmalgeschützten Gebäude auch. Er verbindet drei Decken-Durchbrüche später das Erdgeschoss mit der Aula unter dem Dach und macht das Gebäude so für alle begehbar.

Die KBI ist eine Tochter der Stadtwerke Hennigsdorf GmbH, die zur Stadt Hennigsdorf gehört. Das frühere Reformgymnasium wird seit zwei Jahren für 15,8 Millionen Euro saniert – mehr als 30 Prozent davon trägt die Stadt - und wandelt sich nach jahrelangem Leerstand zum R6.

R6 steht für Rathenaustraße 6, Kreativwerk für kreatives, gemeinschaftliches und innovatives Arbeiten und Denken. Ein neuer Geist soll die Flure beleben – junge Kreative können miteinander ins Gespräch kommen und gemeinsam arbeiten. Die Bedingungen dafür werden Spitzenniveau erreichen.

Ganze Generationen haben seit der Eröffnung des ersten Lehrgangs der Schule im Jahr 1922, getragen von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, Abteilung für Lokomotiven (später AEG), ihre Nasen in Schulbücher gedrückt. Elf Schulkinder und drei Lehrer waren es zu Beginn des ersten Schuljahres. Vom Sextaner bis zum Primaner führte der Weg über die weiten Flure und in die Klassenzimmer und Fachräume einst über neun Stufen zur Oberprima. 1926 wurde das neue Gebäude bezogen. Noch heute zeugen aufgebarbeitete und erhaltene Türen und Fenster, erhaltene Bilder an Wänden, Geländer oder aus gebrannten Fliesen gemauerte Trinkbrunnen auf den Fluren oder der frühere Physik-Vorlesungsraum davon, dass der Weg zur Hochschulreife in Hennigsdorf schon damals eher modern über alle Hürden führte, die ein Lernender nehmen muss.

Als sich kurz nach Beginn der Bauarbeiten vor gut zwei Jahren eine Zeitkapsel fand, verwies die Urkunde darin darauf, welche Anstrengungen es bedurfte, um in dem früheren Dorf eine weiterführende höhere Schule für Mädchen und Jungen zu etablieren. Hundert Schüler lernten 1924 bereits in der früheren Puschkin-Schule, wie die Einrichtung zu DDR-Zeiten später hieß. Das Alexander-S.-Puschkin-Gymnasium unweit entfernt sieht sich noch heute in der Tradition dieses Realgymnasiums.

So hinterließen die Schüler, Lehrer, Eltern, Förderer, Historiker, Schöffen sowie Betriebs- und Schuldirektoren ihre Spuren auf dem langen Weg hin zu einer modernen Bildungsstätte. Diese „KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz“, wie der Tag des Denkmalschutzes am 11. September 2022 überschrieben ist, will auf das Verweben dieser Fußabdrücke verweisen und sie in den baulichen wie inhaltlichen Gesamtzusammenhang der vergangenen Jahrzehnte stellen. In Zukunft entstehen geförderte innovative Gewerbe- und Biotech-Arbeitsplätze, ein gefördertes soziokulturelles GründerInnen- und Gewerbezentrum sowie Werkstätten und interdisziplinär nutzbare Bereiche für alle, die gern forschen, entwickeln, basteln, studieren oder in Gemeinschaft arbeiten möchten. Die Nähe zur Biotechnologie an Neuendorf- und Veltener Straße bietet Synergien, spätere Kooperationen oder Ansiedlungen eingeschlossen.

Auf Führungen, die von 10 bis 13 Uhr im Stundentakt durch das vom Bauhaus-Gedanken geprägte Gebäude stattfinden, lassen sich neben dem künftigen MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), der Klassen zur Verfügung stehen soll, auch alle anderen Neuheiten im historischen Gemäuer entdecken. Ein Virtual-Reality-Raum in einem früheren Klassenzimmer, offene Werkstätten für 3D-Druck, Siebdruck und Modellbauwerkstätten für Holz-, Metall- und Textilverarbeitung im einstigen Kohlenkeller ziehen sich bis zu Co-Working-Arbeitsplätzen im Dachgeschoss.

Wer das Haus betritt, wird sofort geduzt. „Das möchten wir gern etablieren“, sagt die KBI-Geschäftsführerin Birgit Tornow-Wendland. Sie hat als Bauingenieurin peinlich genau auf die Materialien, Lieferfristen und das Einhalten von Zahlungsterminen geachtet. Die Geschichte des Klinkerbaus hat sie beflügelt. Im Oktober sollen die ersten Probebewohner einziehen. Am 1. Januar 2023 startet das KreativWerk in die praktische Phase. Das Interesse ist groß. Der Grundgedanke für Hennigsdorf neu und gewagt.

Für Interessierte noch wissenswert: Die mietbare Fläche beträgt 2.447 Quadratmeter. Das sind 87 Prozent der Gesamtfläche des Gebäudes. Etwa 191.000 Euro pro Jahr fallen wohl künftig an Betriebskosten an, die auf Nutzer umgelegt werden müssen. Das sind jährlich 78,05 Euro je Quadratmeter und 6,50 Euro je Quadratmeter im Monat. Diese Nebenkostenpauschale wird auf die Nettokaltmiete je Quadratmeter von 10,50 Euro im Monat aufgeschlagen. Alles Weitere lässt sich vor Ort erfragen.

Die Hennigsdorfer selbst begleiten die Sanierung mit großer Neugier. Denn endlich kehrt wieder Leben ein in den viergeschossigen stadtbildprägenden Bau. Deshalb auch die Bitte: Bringen Sie ihre Geschichten und Erinnerungen mit. Klassenfotos, Zeichnungen, Spickzettel, Liebesbriefe an Mitschülerinnen, Zeugnisse, Einträge, Schülerzeitungen und viele andere Details sollen sich zu einer kleinen Ausstellung zusammenfügen. Wenn das Haus im Dezember feierlich eröffnet wird, können sich Gäste und später auch die Besucher des Hauses daran erfreuen und sicher schnell ins Gespräch kommen. So manche alte Schulgeschichte darf quasi als Spurensuche dann neu aufleben.

Historische Zeitzeugnisse gesucht

Die Kommunale Betreiber- und Immobiliengesellschaft mbH (KBI), die in Hennigsdorf seit zwei Jahren das frühere Puschkin-Gymnasium denkmalgerecht saniert, geht mit dem Denkmalgedanken offensiv um. Denn das Reformrealgymnasium, das vor hundert Jahren gegründet wurde, wird nach jahrelangem Leerstand nun zu einem modernen Arbeitsort.

Als Kreativwerk R6 – Rathenaustraße 6 – sollen sich Firmengründende, Studierende, Start-up-Ideengebende oder auch kleine Bürogemeinschaften ab Anfang 2023 auf den 3000 Quadratmetern vernetzen, forschen, arbeiten und ansiedeln. Das Interesse an dem für Hennigsdorf bislang einzigartigen, innovativen Projekt, das mit insgesamt 15,8 Millionen Euro Baukosten auf den Weg gebracht wird, ist groß. Hennigsdorferinnen und Hennigsdorfer, die das Haus noch als Lernende kennen, begleiten die Sanierung mit Spannung und Neugier.

Das einstige Schulhaus wird liebevoll und abgestimmt mit dem Denkmalschutz aufgearbeitet und modernisiert. Wo einst Kohlen lagerten, entstehen künftig Holz- und Metallprodukte in einer Werkstatt. Wo die Trillerpfeife des Sportlehrers die Primaner zur Ordnung rief, können Co-Working-Arbeitsplätze und eine große Aula künftige mobil Arbeitende, Studierende oder Hörende empfangen. Das alles lässt sich anschauen – festes Schuhwerk ist mitzubringen.

Doch auch den Machern des R6 liegt die Spurensuche am Herzen. Sie rufen deshalb dazu auf, einmal in Fotokisten, Erinnerungsschubladen und Zeugnissen zu kramen. Liebesbriefe, Einträge, Klassenbücher, Aufsätze und vor allem Fotos sind interessant. Sie können zu den Führungen mitgebracht oder der KBI auch zugesandt werden, damit daraus später eine kleine Ausstellung entstehen kann. Denn viele Generationen haben ihre Spuren in dem Klinkerbau hinterlassen, der 1926 feierlich übergeben wurde. Noch heute zeugen Handläufe in Fluren, Trinkbrunnen und die dunklen Möbel im einstigen Lehrerzimmer von der langen Geschichte des Hauses. Die neue Nutzung durch junge, kreativ arbeitende Menschen, die gemeinsam tüfteln und studieren, fußt schlussendlich auf dem Wissen der Vorgänger-Generationen. Dieser Gedanke soll aufleben, wenn das Kreativwerk R6 im Dezember feierlich der künftigen Nutzung übergeben wird.

Alle, die dazu etwas beisteuern möchten, dürfen sich gern auch an die KBI in Hennigsdorf wenden: KBI GmbH, Rathenaustraße 4, 16861 Hennigsdorf, Telefon 03302 544080, E-Mail info@kbi.gmbh.