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Projekt des Kalten Krieges wird 70

Datum: 07.03.2023

Stadtarchiv Hennigsdorf legt gemeinsam mit dem Autor Klaus Stärke ansprechende Broschüre zum Bau des Havelkanals auf

Schubverbände ziehen ihre tiefen Spuren im Havelwasser, die Sonne badet in feurigem Glanz zwischen Nieder Neuendorfer See und Stahlbrücken. Seit 70 Jahren gibt es den Havelkanal, der Nieder Neuendorf mit Paretz - gebaut als Projekt des Kalten Krieges und „Kanal des Friedens“ zur Umfahrung West-Berlins - verbindet.

West-Berlin wurde zunehmend zum Nadelöhr, das galt auch für die Binnenschifffahrt. So entstand dieser Kanal von Nieder Neuendorf an der oberen Havel nach Paretz an der unteren Havel. Erste Planungen lagen seit 1948 in der Schublade. Nach einem Beschluss des Ministerrates der DDR wurde diese wichtige Wasserstraße errichtet und am 28. Juni 1952 feierlich eröffnet, viele Hände gruben den „Kanal des Friedens“ in den märkischen Sand. Dr. Hans Dehnert wurde zum Projektleiter des Kanalbauprojekts berufen. Das Ziel: Fertigstellung des 35 Kilometer langen Baus in einem Jahr.

Autor Klaus Stärke und das Hennigsdorfer Stadtarchiv haben aus Anlass dieses 70. Kanalgeburtstags, der sich im vergangenen Jahr ereignete - und in Erinnerung an den Leegebrucher Hobbyhistoriker Peter Richter, der eng verbunden war mit der AEG-LEW- und Verkehrsgeschichte in Hennigsdorf und der Region - eine faktenreiche Broschüre vorgelegt. Die ist ab sofort in der Hennigsdorfer Stadtinformation für 7,50 Euro zu bekommen. Auch Mitglieder des Hennigsdorfer Geschichtsvereins hatten wesentliche Vorarbeiten beigesteuert, vor allem vom Schleusenbau in Schönwalde. Dank schickt der Autor auch in Richtung Heimatverein Nauen und das dortige Stadtarchiv.

Von der politischen und wasserwirtschaftlichen Vorgeschichte bis zum Einsatz von Schwimm- und Eimerbaggern, von den Arbeitsbedingungen der Arbeiter bis zur Reflektion des Ereignisses in der zeitgenössischen Presse schlägt der Autor den Bogen in unsere Zeit. Zahlreiche Fotos hat Klaus Stärke aus den Archiven hervorgeholt und für die 47-seitige Publikation genutzt. Beeindruckend ist der Einblick in den technischen Zustand, die Gegebenheiten vor Ort und die Mammutaufgabe, umgesetzt von mehr als 7000 Arbeitskräften auch hiesiger Großbetriebe. Zahlreiche Frauen packten mit an, obwohl die Arbeit schwer war. Denn es mussten im Schönwalder Forst Bäume gefällt werden, auf dem LEW-Gelände wurden zahlreiche Vertriebene umgesiedelt, die dort in Baracken lebten. Sie bekamen in der Friedenssiedlung am Forstweg eine neue Heimat.

Klaus Stärke selbst hat von 1976 bis 1991 bei der Binnenreederei der DDR in verschiedenen Positionen gearbeitet, vor allem auch in Hennigsdorf. Er gilt als Kenner der Schifffahrt in der DDR und weiß über Wasserstraßen Bescheid. Allein für den Havelkanal mit Abzweig nach Paretz wurden fünf Millionen Kubikmeter Boden bewegt und abtransportiert, weiß der Autor zu berichten. Verbaut wurde der Aushub unter anderem in Nieder Neuendorf und beim Eisenbahn-Außenring in Berlin. Da es nur eine Schleuse gibt, waren Dämme nötig, um Überschwemmungen zu vermeiden. 56 neue Gräben waren auszuheben. 40.000 Bäume, vor allem Pappeln, zur Renaturierung wurden gepflanzt.

Anke Kaprol-Gebhardt, die Leiterin des Hennigsdorfer Stadtarchivs, freut sich, dass die Publikation nun vorliegt. „Wer sich für Hennigsdorfer Stadtgeschichte interessiert, kommt an diesem eindrucksvollen, wenn auch kurzen Kapitel nicht vorbei. Wenn wir sehen, mit welchen Mitteln vor 70 Jahren gearbeitet wurde und mit welch kräftezehrendem Einsatz, so ringt das noch heute Bewunderung ab.“