Inhalt

Ankommen im Alltag

Datum: 13.02.2024
Drei PuR-Mitarbeiterinnen betreuen im Integrationsprojekt Familienlotsen Geflüchtete in Hennigsdorf

44 Familien leben in der Gemeinschaftsunterkunft in Stolpe-Süd, der größten Einrichtung zur Aufnahme Geflüchteter in Oberhavel. Um Kindern und deren Eltern die Perspektive auf eine Zukunft außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft zu bieten, hat der Landkreis das Integrationsprojekt „Familienlotsen für geflüchtete Familien“ gestartet. Umgesetzt wird es von der PuR gGmbH. Aus Mitteln des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union und aus dem Integrationsbudget des Landes Brandenburg kommen die Gelder in Höhe von 274.000 Euro.

Beauty Khumalo ist eine der Frauen, die auf eine Perspektive hoffen. Sie ist mit den Familienlotsinnen Sandra Erdmann-Schlausch und Arletta Zebrowski im Nachbarschaftstreff Stolpe-Süd verabredet, wo die Lotsinnen ihre offenen Sprechstunden anbieten. Sie kommt in Begleitung ihrer kleinen Tochter. Ihren Sohn hat Beauty Khumalo in die Obhut einer Tagesmutter gegeben. Zu dem Betreuungsplatz haben ihr die Familienlotsinnen verholfen. Bei jedem der Termine der Frauen geht es um ganz praktische Hilfe. „Sprachbarrieren sind für uns die größte Hürde“, sagt Familienlotsin Sandra Erdmann-Schlausch. Beauty Khumalo kommt regelmäßig, sie spricht noch immer am liebsten Englisch während ihrer Termine im Nachbarschaftstreff. Sie hat Sprachunterricht genommen – in Begleitung ihrer Kinder. Für alle Seiten war die Situation schwierig. Die Kinder schliefen ein, während ihre Mutter die deutschen Worte von der Tafel abschrieb. „Nachts schlief ihr Junge nicht mehr und war dann in der Schule am nächsten Tag übermüdet. Die Schulleitung meldete Probleme“, erzählt Sandra Erdmann-Schlausch. Die Familienlotsin und ihre Kolleginnen suchten nach einer Betreuung für die Zeit des Sprachkurses. Es ist ein Beispiel von vielen, wie zugewanderten Kindern und Eltern innerhalb des Integrationsprojektes im Alltag geholfen werden kann. Dazu gehen die Lotsinnen auch zu ihren Kundinnen und Kunden in der Gemeinschaftsunterkunft.

Im Mittelpunkt stehen die Kinder und ihre Bedürfnisse. Eltern sind häufig überfordert – nach Flucht und Traumatisierungen und dem schwierigen Prozess des Ankommens in Oberhavel. Sie sind daher oft nicht in der Lage, Freizeiteinrichtungen oder Nachmittagsveranstaltungen für ihre Kinder in der Umgebung zu finden, Termine zu vereinbaren. Beauty Khumalos Sohn will mit Gleichaltrigen Fußball spielen. Diese Woche kann er zum ersten Mal zum Schnuppertraining. Die junge Mutter schaut glücklich, als Familienlotsin Arletta Zebrowski ihr die gute Nachricht erzählt. Sie wird Beauty Khumalo auch ins Hennigsdorfer Rathaus begleiten, um die Papiere für die Kita-Anmeldung abzugeben. Das traut sich die junge Einwanderin allein noch nicht zu.

Es ist Hilfe zur Selbsthilfe, die das Projekt bietet. Ziel ist die Integration der zugewanderten Familien in die Gesellschaft. Dazu gehört Unterstützung bei Behördengängen und Arztbesuchen, Hausaufgabenhilfe oder psychologische Betreuung. Es sind Schritte, die Familien langfristig eine Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben geben sollen. Kita, Schule, Job und eigene Wohnung – die Hürden auf diesem Weg sind hoch. Die Familienlotsinnen helfen dabei, sie zu überwinden.

Die Themen, die die drei Projektmitarbeiterinnen der PuR mit den Familien lösen, sind vielfältig und häufig sehr persönlich. Manche erscheinen schwerwiegend oder sind einfach nur erklärungsbedürftig wie das Angebot von Kita und Tagespflege, das in Deutschland selbstverständlich ist, in den Heimatländern vieler Einwanderer jedoch nicht. Bei anderen Problemen wie der Wohnungssuche ist es Überzeugungsarbeit, die die Lotsinnen leisten. „Die Familien kennen bisher nur Hennigsdorf. Sich auch in anderen Kommunen nach Wohnungen umzusehen, daran denken die meisten gar nicht“, erzählt Arletta Zebrowski. Um eine Wohnung zu finden, die Gemeinschaftsunterkunft verlassen zu können, sei das aber häufig nötig.

Das Kennengelernte aufzugeben und eine Lebensperspektive anderswo zu suchen, ist für viele Familien undenkbar. „Häufig wird eine lange Wohnungssuche in Kauf genommen, um in Hennigsdorf und in der Nähe von Berlin zu bleiben“, sagt Johannes Kühl, Fachbereichsleiter Migration in der Kreisverwaltung Oberhavel. „Andererseits befürchten Familien, an einem neuen Ort nicht anzukommen oder gar zu scheitern. Für die eigene Integration, für das Wohl der Kinder und die eigene Gesundheit spielt der Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft aber eine große Rolle. Mit dem Projekt wollen wir den Menschen die Ängste nehmen. Perspektiven für den neuen Wohnort in Oberhavel beziehungsweise in Brandenburg sollen gemeinsam erarbeitet werden. Im Rahmen einer Kooperation mit dem Projekt ‚@home in Oberhavel‘, das Zugewanderte bei der Wohnungssuche unterstützt, sollen neue Synergien entstehen“, so Kühl. Denn wirklich anzukommen, ist langfristiges Ziel des Projektes.

30 Menschen aus der Gemeinschaftsunterkunft Stolpe-Süd betreuen die Familienlotsinnen aktuell. Zwei Familien sind inzwischen in eigene Wohnungen umgezogen, sie werden in der Anfangsphase weiter begleitet.