Bewegte Comic-Bilder transportieren Geschichte
Grenzturm Nieder Neuendorf ist am 6. April in die neue Ausstellungssaison gestartet
Auf historischen Fotos wird das Erschütternde und Schreckliche des Ortes deutlich. Heute liegt der Grenzturm in Nieder Neuendorf idyllisch am See, der einst die Staatsgrenze der DDR zu Westberlin markierte. Nieder Neuendorf als Enklave, abgeschnitten und von Soldaten des Grenzregimentes 38 „Clara Zetkin“ bewacht, ist längst ein gut bewohnter Stadtteil Hennigsdorfs und ein Naherholungsgebiet für viele Randberliner.
An der Havel, direkt am Fernradweg, steht einer dieser letzten Zeitzeugen, der von der Berliner Mauer erzählt. Nun hat die diesjährige Saison, die bis zum Donnerstag, 3. Oktober, dauert, begonnen. Der Grenzturm – einer der letzten 18 in Deutschland noch existierenden – lässt sich besichtigen.
Vor 35 Jahren fiel die Mauer. Der Grenzturm in Nieder Neuendorf als gemauerter Zeuge beinhaltet seit 1997 eine ständige Ausstellung, die vor zehn Jahren vom Stadtarchiv Hennigsdorf gründlich überarbeitet wurde. In diesem Jahr wartet die ständige Ausstellung, die dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet ist, mit einer Neuigkeit auf. Denn Annika Skala, eine Schülerin aus Hennigsdorf, hat gemeinsam mit anderen deutschen Jugendlichen am Projekt „MoCom – Motion Comic als Erinnerungsarbeit“ der Stiftung Gedenkstätte Sachsen-Anhalt/Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn teilgenommen. Entstanden ist eine MoCom – also ein animierter Comic – mit dem Namen „(K)ein Wiedersehen“.
Die vertonten bewegten Zeichnungen erzählen die Geschichte eines Fluchtversuchs zweier Jungen über die Havel in Nieder Neuendorf. Die Teilnehmenden sprachen mit Zeitzeugen und übersetzten die Geschichte in ein Drehbuch. In einer Videostele am Grenzturm lässt sich in dieser Saison dieser Film ansehen – vor allem Kindern und Jugendlichen bringt er die Teilung Deutschlands und die Auswirkungen auf die Menschen beidseits des Stacheldrahtes näher. Die Produktion wurde durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien im Rahmen von „Jugend erinnert“ in Sachsen-Anhalt finanziert.
Längst sind die Grenzanlagen abgebaut, gehören Mauerstückchen zu Erinnerungen in der Hosentasche von Touristen. Kaum mehr greifbar sind die Eindrücke, die das Leben hinter einer hohen Betonwand, die den See verstellte, ausmachten. 32 Führungsstellen gab es rund um Westberlin, eine davon in Hennigsdorf. 302 Wachtürme standen an der Berliner Mauer.
Die Grenztruppen der DDR patroullierten entlang der Havel, so manche kuriose Geschichte von Fluchtversuchen ist heute übermittelt und wird im Rahmen der Ausstellung erzählt. Zahlreiche Menschen jedoch ließen wie in der MoCom gezeigt ebenso ihr Leben für den Versuch, in Freiheit leben zu können. Zwei Gedenkstelen am Radfernweg – eine für den gerade 20-jährigen Peter Kreitlow und eine für den damals 24-jährigen Franziszek Piesik – erinnern an die Tragödien dieser Menschen. Heute besuchen Touristen aus aller Welt diesen historischen Ort.
Exponate, Schautafeln und QR-Codes mit Erläuterungen führen in die Geschichte ein. Die Exponate sind authentisch und werden immer wieder neu bewertet. Über vier Etagen verteilt sich die Exposition im Grenzturm Nieder Neuendorf.
Durchschnittlich 12.000 Gäste kommen pro Saison an den historischen Ort. Die Erinnerungs- und Informationsstätte bietet eine zweisprachige Ausstellung. Bis zum 3. Oktober ist der Grenzturm Nieder Neuendorf auch an allen gesetzlichen Feiertagen des Landes Brandenburg geöffnet. Der Eintritt ist frei. Führungen sind nach Voranmeldung beim Stadtarchiv Hennigsdorf unter 03302 877311 möglich.