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Gedenkorte für jüdische Menschen als Mahnmale 

Datum: 07.11.2023
Vor 85 Jahren zog ein nationalsozialistischer Mob durch Hennigsdorfer Straßen - bis heute erinnern Stolpersteine an die Folgen

Vor 85 Jahren, in der Nacht auf den 10. November 1938, brannten in Deutschland Synagogen, wurden Geschäfte zerstört, Menschen geschlagen und verunglimpft. Organisierte Schlägertrupps setzten jüdische Geschäfte und Gotteshäuser in Brand. Millionen Juden wurden in den folgenden Jahren entrechtet, misshandelt, verhaftet oder getötet. Spätestens seit dieser Nacht war offensichtlich geworden, dass Antisemitismus und Rassismus in Deutschland an der Tagesordnung waren. Die Pogromnacht markierte den Übergang von der Diskriminierung der deutschen Juden seit 1933 zur systematischen Verfolgung, die schließlich in den Holocaust mündete.

Mehr denn je sind Antisemitismus und Ausgrenzung wieder aktuell in der Welt und in Deutschland, stehen Menschen aller Religionen und Hautfarben für Gleichberechtigung und Menschlichkeit auf.

Als am 9. November 1938 SA-Schergen vor Wohn- und Arbeitsorten jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger erschienen, blieb der Mob auch in Hennigsdorf nicht aus. Vor dem Geschäft des Schuhhändlers Ludwig Goldmann grölten die Mitläufer nationalsozialistischen Gedankengutes auch gegen den jüdischen Kaufmann, schlugen zu und demütigten ihn. Hausbesitzer Hans Brockmann trat dem Treiben mutig entgegen. Ausgelacht von den Nazis prangte am nächsten Tag ein Schild „Geht nicht zu dem Drogisten Brockmann – er ist ein Judenfreund“ am Haus. Goldmanns Geschäft wurde später arisiert, der jüdische Schuhhändler starb nach der Deportation in Minsk.

Dieser Fall ist nur einer von vielen. Auf Betreiben des früheren Gymnasiallehrers Dr. Helmut Fritsch wurde die Geschichte dieser Menschen aufgearbeitet und erinnert. Der Bildhauer Gunter Demnig verlegte in der Folgezeit insgesamt neun Stolpersteine für diese jüdischen Hennigsdorferinnen und Hennigsdorfer an sechs unterschiedlichen Orten. Dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte wird so wachgehalten, für das Haus Brockmann und den Juden Goldmann vor der Waldstraße 40. Das Hennigsdorfer Aktionsbündnis Lebendiger Teilhabe H.A.L.T. kümmert sich um dieses Andenken. Auch am 9. November 2023, wenn sich diese Nazi-Pogrome zum 85. Mal jähren. Dann werden die Steine geputzt und gesäubert, Blumen niedergelegt. Die katholische Kirchengemeinde ist um 16.45 Uhr vor Ort im Einsatz.

Eine Gruppe der Adolph-Diesterweg-Oberschule kümmert sich bereits um 9.30 Uhr vor der Berliner Straße 18 um die Gedenkorte für Klara und Wilhlem Busse. Diese Zeugen Jehovas, schon 1933 als Glaubensgemeinschaft verboten, lebten an diesem Ort. Klara Busse starb im Konzentratlionslager Ravensbrück. Ihr Ehemann überlebte den Todesmarsch vom KZ Sachsenhausen aus in Richtung Schwerin und wohnte nach 1945 gemeinsam mit Tochter Gerda wieder in Hennigsdorf.

Für Familie Blaschke, Ernst Blaschke war Direktor der AEG-Fabriken, die nach Spanien emigrierte und deren Spuren sich später verloren, liegen vier Stolpersteine vor der Neuendorfstraße 23. Die Linke, der Seniorenbeirat und Ausländerbeirat der Stadt kümmern sich darum und gedenken um 17 Uhr.

Ziel der Pogrome war auch das Uhrengeschäft von Familie Lachmann in der Feldstraße. SS-Männer zerstörten und plünderten den Laden. Während Else Sara Bela Lachmann aus der Stadt ausgewiesen und später in Auschwitz ermordet wurde, versteckte sich ihr Sohn in Berlin-Reinickendorf. Der Enkel Peter Lachmann übernahm später die Patenschaft über den Stein in der Hauptstraße 13, die evangelische Kirchengemeinde mit den Konfirmanden pflegt diesen Ort. Acht Familienangehörige der Hennigsdorferin starben in Lagern und auf Transporten.

In der Clara-Schabbel-Straße 11 wird an die Stenotypistin Klara Schabbel erinnert, deren Name noch heute in der Stadt lebendig ist. Bis 1942 lebte sie in der Stadt und leistete aktiven Widerstand als Mitglied der Schulze-Boysen/Harnack-Organisation, auch bekannt als Rote Kapelle. Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern der AEG erwies sie solidarische Hilfe oder versteckte andere Widerständler. 1943 wurde sie verhaftet, später zum Tode verurteilt und in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Mit ihr starben zehn weitere Frauen aus dem Widerstand. Der Stolperstein, um den sich die evangelisch-freikirchliche Gemeinde Heimatgeber kümmert, wird am 9. November ebenfalls um 17 Uhr Ort des Gedenkens sein.

„Es gibt in unserer Stadt keinen Platz für Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Und dafür stehen wir auch in diesem Jahr mehr denn je ein“, betont die Hennigsdorfer Gemeinwesenbeauftragte Kerstin Gröbe mit Blick auf die aktuelle politische Lage. Das Aktionsbündnis H.A.L.T., 2009 für Integration und gegen Rassismus gegründet, nehme diese Aufgabe sehr ernst. Die AG Stolpersteine ist eine von verschiedenen Gruppen innerhalb des parteiübergreifenden Bündnisses.