Früheres Leben im Stadtteil wird wieder lebendig
Stadtarchiv Hennigsdorf zeigt bis Ende Januar 2023 neue Ausstellung zu Hennigsdorf-Nord im Bürgerhaus
Große Kräne lassen schwere Betonteile einschweben, manchmal haben sie ein ganzes Badezimmer am Haken. Staunend blicken Neugierige diesem Treiben im Norden der Stadt zu. So oder so ähnlich spielte sich das Leben auf der Großbaustelle Hennigsdorf-Nord ab. Von 1975 bis 1980 entstanden mehr als 2500 Wohnungen für gut 4.700 Menschen. Grund genug, einmal auf Spurensuche zu gehen.
Das Stadtarchiv Hennigsdorf hat sich deshalb dieses Themas angenommen und eine lebendige, anschauliche Ausstellung mit einer Vielzahl an Dokumenten zusammengestellt. Diese wird von Hennigsdorfs Bürgermeister Thomas Günther am 28. November um 16 Uhr im Bürgerhaus Alte Feuerwache eröffnet. Schon im Vorfeld war dazu aufgerufen worden, sich mit Erinnerungsstücken zu beteiligen. Und tatsächlich kamen einige erstaunliche Fundstücke zutage, die nun auch in der Ausstellung zu sehen sind.
Dazu gehört ein Hausbuch aus der Kralupyer Straße, in dem einst alle Besucher des Aufganges erfasst wurden. Damit behielten die Behörden, insbesondere die Volkspolizei und Meldeämter, den Überblick über das Kommen und Gehen in den Wohnhäusern der DDR. Besonderes Augenmerk lag freilich auf Gästen aus dem nicht sozialistischen Wirtschaftsraum.
Lebendig sind auch Erinnerungen, die in dem großen Gästebuch der Volksschwimmhalle vermerkt wurden. Besuche von Delegationen, Schwimmevents und Meisterschaften sind ebenso notiert wie Neuerungen und Investitionen. Das Gästebuch gibt ebenso wie einige Fotos einen Einblick in die Geschichte des 1980 eröffneten Freizeittreffs, der aus den Prämienfonds der Betriebe in Hennigsdorf und der Stadt errichtet wurde. In drei Monaten nach Eröffnung schauten damals 60.000 Besucher rein, 650.000 gingen bis Ende 1985 in Hennigsdorf schwimmen und saunieren. Das war ein unerreichter Rekord.
Zu sehen sind aber auch großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien, die 1980 für eine Architekturzeitschrift in der DDR aufgenommen wurden und einen Einblick über das Leben, die Freizeitbereiche und Innenhöfe des Wohngebietes geben. Eine Neubauwohnung zu ergattern und mit der jungen Familie in modernen Verhältnissen zu leben, das war für viele ein Traum. Es gab Wartelisten für die Wohnungen, die in den Betrieben und Vergabekommissionen ausgelost wurden. Auch darüber ist einiges zu erfahren.
Viele schöne Erinnerungen verknüpfen sich für die Bewohner von Nord auch mit dem Haus der Dienstleistungen, dem HO-Café und der Bar Metallic - sogar mit Tischtelefonen ausgestattet - oder dem Restaurant im Klotz, wie der Volksmund den Würfel nannte. Allerdings ist die Foto-Lage dazu etwas dürftig, wie Stadtarchivarin Anke Kaprol-Gebhardt als Kuratorin bedauert. Sie hofft aber auf die Besucherinnen und Besucher mit ihren Bildern von Feiern, Jugendweihen oder Hochzeiten oder ihren Geschichten von Eingaben um fehlende Telefonanschlüsse oder das Warten auf einen Krippenplatz. „Wir werden am Ausgang der Ausstellung noch eine Pinnwand aufstellen und hoffen, dass sich so mancher Gast dort verewigt oder uns noch Fotografien mitbringt. Viele haben uns schon unterstützt, wofür wir sehr dankbar sind, aber einige Löcher müssen wir noch füllen“, sagt sie. Denn es sei geplant, im Anschluss an die Schau, die bis Ende Januar zu sehen ist, eine Broschüre über Hennigsdorf-Nord herauszubringen. „Vor allem kleine Geschichten fehlen uns noch zu Begebenheiten und Erlebtem in den Plattenbauten.“
Wer sich zum Plaudern gemütlich niederlassen möchte, kann das gern auf dem bereitgestellten DDR-Sofa tun. Oder in Ruhe alte Baupläne studieren. Hennigsdorf-Nord entstand, um Fachkräfte für die großen Industriebetriebe nach Hennigsdorf zu holen. Viele Familien verbinden Erinnerungen mit dem Leben in Nord, Kinder gingen zur Schule oder in Kitas. Noch heute besucht jedes vierte Kind in Hennigsdorf eine Einrichtung in Nord.
Öffnungszeiten: Zu sehen ist die neue Ausstellung bis zum 29. Januar 2023, immer dienstags von 14 bis 18 Uhr, donnerstags von 10 bis 16 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr. Die Ausstellung bleibt in der Woche vom 26. bis 30. Dezember 2022 geschlossen.