Stattliches Bauwerk entsteht als Multifunktionsspeicher
Stadtwerke Hennigsdorf GmbH errichten große Thermoskanne für ausgekoppelte Abwärme aus dem Elektrostahlwerk HES
25 stattliche Höhenmeter, dazu ein Bauchumfang von fast 60 Metern – ja, der jetzt entstehende Multifunktionsspeicher der Stadtwerke wird zu sehen sein. Und zu spüren natürlich auch. Denn hier lagern künftig zusätzliche rund fünf Millionen Liter heißes Wasser, die dem Hennigsdorfer Fernwärmenetz und damit den Haushalten bei Bedarf zugeführt werden können.
Entstehen wird die große „Thermoskanne“ auf dem Gelände des Heizwerkes Nord 2 in der Veltener Straße, dort, wo auch die ausgekoppelte Abwärme aus dem Stahlwerk ankommt. Los geht’s noch in diesem Jahr mit dem Fundament. „Der Speicher, den wir jetzt realisieren, ist ein wesentliches Element unserer „Wärmedrehscheibe““, erklärt Stefan Dallorso, Technischer Leiter der Stadtwerke. „Er wird dazu beitragen, den Anteil klimaneutral erzeugter Wärme von derzeit etwas mehr als 60 Prozent auf künftig bis zu 80 Prozent zu erhöhen.“
Wichtige Voraussetzungen, um das Potenzial des Speichers auszuschöpfen, haben die Stadtwerke im Vorfeld mit der Abwärmenutzung aus dem Stahlwerk und einer intelligenten Netzkommunikation und -steuerung geschaffen. Industrieabwärme aus dem Stahlwerk wird seit Ende 2019 genutzt. Das im Fernwärmenetz implementierte Steuerungssystem ermöglicht die Kommunikation der verschiedenen Erzeugerstandorte untereinander.
Neu dimensioniert
Der Multifunktionsspeicher mit 5.000 Kubikmetern Fassungsvermögen fällt kleiner aus als ursprünglich geplant. „Entscheidend für uns ist, dass wir in der Fernwärme einen regenerativen Anteil von bis zu 80 Prozent sicherstellen können. Fortschreitende Planungen und der heutige Stand der Technik haben gezeigt, dass uns das auch mit einem deutlich kleiner dimensionierten Speicher als ursprünglich vorgesehen gelingt“, erklärt Dallorso.
Das geringere Speichervolumen ermögliche zugleich den Einsatz anderer, modernerer Technologien. „Anfangs als Betonspeicher geplant, bauen wir jetzt – gemäß Stand der Technik – einen Stahlspeicher.“ Der wird vor Ort zusammengeschweißt und entspricht damit der Technologie des 2019 errichteten Netzpufferspeichers am Heizhaus Zentrum, ist allerdings fünfmal größer.
Der große Bruder des Dicken
Wie sein kleiner Bruder funktioniert der Multifunktionsspeicher als eine Art Thermoskanne: Er hält warmes Wasser warm. Auf einem Niveau, das den Vorlauftemperaturen im Hennigsdorfer Fernwärmenetz entspricht: im Sommer 85 Grad Celsius, im Winter bis zu 95 Grad Celsius.
Ein großer Vorteil: Der Multifunktionsspeicher ermöglicht es, deutlich mehr Abwärme als bisher aus dem Stahlwerk zu nutzen. Dallorso erklärt: „Oft steht mehr Abwärme zur Verfügung, als wir in dem Augenblick in unserem Netz nutzen können. Dieser Überschuss geht dann über einen Schornstein und ist für uns verloren. Mit dem Speicher können wir Abwärme zwischenlagern und dem Netz bedarfsgerecht zur Verfügung stellen.“
Den Zusatz „multifunktional“ trägt der Speicher, weil er nicht nur die Auskopplungsmenge aus dem Abwärmepotenzial steigert, sondern zugleich die Möglichkeit schafft, auch die Wärme anderer Erzeuger einzulagern. Zum Beispiel die aus dem Biomasse-Heizkraftwerk oder aus kleineren Blockheizkraftwerken (BHKW). Eines davon arbeitet im neuen Stadtbad. Es erzeugt gleichzeitig Strom und Wärme. Der Strom verbleibt ausnahmslos im Bad. Die Wärme wird ins Fernwärmenetz eingespeist und ist damit ein Erzeuger, wenn auch ein kleiner, der den Multifunktionsspeicher nutzen kann.
Dallorso: „Ganz bewusst haben wir auch das Stadtbad-BHKW in die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderte „Wärmedrehscheibe“ integriert. Damit zeigen wir, dass nicht nur die großen Kraftwerke, sondern genauso Einzelanlagen Überschüsse generieren, die ins Fernwärmenetz fließen. Wird die Wärme dort nicht sogleich gebraucht, kann sie im Speicher zwischengelagert werden.
Versorgung neu denken
Wie werden wir künftig heizen? Wie sieht unsere Wärmeversorgung der Zukunft aus? Diese Fragen haben die Kommunen deutschlandweit im Rahmen der von der Bundesregierung initiierten kommunalen Wärmeplanung zu beantworten. So auch in Hennigsdorf. Der Multifunktionsspeicher spielt dabei eine wichtige Rolle.
Er unterstützt nicht nur das Nahziel, 80 Prozent regenerative Energie im Netz zu haben, er ist auch dabei gefragt, diese 80 Prozent langfristig abzusichern. Stadtwerke-Geschäftsführer Christoph Schneider erklärt: „2030 hat unser Biomasse-Heizkraftwerk seine technische Lebensdauer von 20 Jahren erreicht und wird, Stand heute, nicht mehr am Netz sein. Zwei Jahre später trifft das auch auf unser Bioerdgas-BHKW in der Eschenallee zu. Stellt sich also die Frage, wie es dann weitergeht. Fakt ist, wir müssen neu denken und die Frage beantworten, welche Erzeugerstrukturen uns künftig dabei unterstützen, unsere Ziele zu erreichen. Wichtiger Bestandteil dieser Überlegungen ist das Speichern von Wärme, um diese gezielt und bedarfsgerecht verteilen zu können. Hier ist der Multifunktionsspeicher gefragt. Er puffert Wärme zwischen, ganz egal über welche Erzeuger/Quelle er versorgt wird. Das kann eine Solarthermieanlage der Zukunft sein, eine Geothermieanlage oder ähnliches. Der Speicher gibt uns ein Stück Flexibilität für die Zukunft, er ist das Medium der Zukunft.“ (entnommen "Energie" Ausgabe 03/2023)